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Bereit für den Totalitarismus

Einer der erschütterndsten Aspekte des Corona-Verbrechens ist für viele Menschen, ansehen zu müssen, mit welcher Gleichgültigkeit und Passivität sich ihre Mitmenschen das eigene Leben und das ihrer Kinder zerstören lassen. Denn sie, die Wachen, wissen oder spüren intuitiv, dass dies die Weichenstellung für die Reise zum Ende der Menschheit ist und fragen sich, ob dieser Zug überhaupt noch umgelenkt werden kann.  

 Von Stefan Barme

So mancher großer Denker und Schriftsteller hat sich die Frage gestellt, ob die Menschheit die Fähigkeit zur Reife besitzt. Die Antwort lautet natürlich eindeutig: nein! Das beweisen die beiden Weltkriege, die Genozide und die Massenmorde, zu denen es im 20. Jahrhundert, also nach der sogenannten Aufklärung, gekommen ist. Aber womöglich hat der Mensch als Reaktion auf diese exzeptionellen Gräueltaten schließlich doch die Fähigkeit zur Reife gewonnen? Auch dies ist ganz entschieden zu verneinen, wenn man sich ansieht, was seit einem Jahr in Deutschland und weltweit unter den Augen einer lethargischen Weltbevölkerung geschieht und was bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz wieder einmal gewählt wurde. Auch die folgende Diagnose reicht als Beweis schon vollkommen aus:

„Was aber die modernen Massen von dem Mob [vergangener Zeiten] unterscheidet, ist die Selbstlosigkeit und Desinteressiertheit am eigenen Wohlergehen (…) Selbstlosigkeit, nicht als Güte, sondern als Gefühl, dass es auf einen selbst nicht ankommt, dass das eigene Selbst jederzeit und überall durch ein anderes ersetzt werden kann (…) Dies Phänomen eines radikalen Selbstverlusts, diese zynische oder gelangweilte Gleichgültigkeit, mit der die Massen dem eigenen Tod begegneten, war ganz unerwartet (…) Sie leiden an einem radikalen Schwund des gesunden Menschenverstandes und seiner Urteilskraft sowie an einem nicht minder radikalen Versagen der elementarsten Selbsterhaltungstriebe.“ Nein, diese Zeilen beziehen sich nicht auf unsere Corona-Ära. So beschrieb die Philosophin Hannah Arendt in ihrem Hauptwerk „Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“ (1955) die psychische Verfasstheit der Deutschen in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen, eine Befindlichkeit, die die Basis für den heraufziehenden Totalitarismus bildete.

Friedrich Nietzsche betont in „Jenseits von Gut und Böse“, dass die „Entartung und Verkleinerung des Menschen zum vollkommenen Herdentiere“ zweifellos möglich sei. Doch Tiere verfügen bekanntlich über einen stark ausgeprägten Selbsterhaltungstrieb. Daher sollte man treffender von der Entartung des Menschen, oder sagen wir besser der meisten Menschen zu einer rein funktionalen Massenware, zu vollkommen abgestumpften Robotern sprechen, die nur noch die Erfüllung des Jobs und den Konsum kennen (das Wort Roboter geht übrigens zurück auf das tschechische robota, das „Untertanenarbeit, Zwangsarbeit, Frondienst“ bedeutet und mit dem slawischen Ausdruck rab „Sklave, Knecht“ verbunden ist).

Diese Entartung, diesen Verlust des Menschlichen in der Moderne haben auch andere Denker beklagt, wie beispielsweise Theodor W. Adorno, der auch gleich eine überzeugende Erklärung für diese Entwicklung anzubieten weiß: In einem Gespräch mit Max Horkheimer und Eugen Kogon für den „Hessischen Rundfunk“ (gesendet am 4. September 1950)  führt er aus, dass die Menschen sich in der zunehmend verwalteten Welt selbst in Verwaltungsobjekte, in rein funktionale Wesen („potentielle Angestellte eines einzigen riesigen Monsterunternehmens“) verwandeln, indem sie dazu tendieren, von den in früheren Jahrhunderten erworbenen Eigenschaften, nur jene zu bewahren, die ihnen ein Fortkommen beziehungsweise Überleben innerhalb dieser Verwaltungs-/Funktionsmaschinerie erlauben, wie etwa „eine bestimmte Art von Tüchtigkeit (…) von Wendigkeit (…) auch eine bestimmte Art der Härte gegen andere und gegen sich selbst“. Gleichzeitig würden sie all die Eigenschaften verlieren, die dieser Anpassung im Wege stehen, Eigenschaften, „die wir bis heute eigentlich als die gerade menschlichen (…) angesehen haben“, wie insbesondere die Impulse und Leidenschaften und die Spontaneität (https://www.youtube.com/watch?v=89o2VYn7MJc).

Was kaum jemals thematisiert wird: Der von Adorno diagnostizierte Ich- bzw. Persönlichkeitsverlust schlägt sich auch in der Physiognomik nieder. Denn seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat sich die Bandbreite der Physiognomien der Menschen im Vergleich zu früheren Zeiten in einem erheblichen Maße verringert. „Das heißt natürlich nicht, dass auf einmal alle Menschen genau die gleiche Kopfform und Gestalt besäßen, aber der Ausdruck (…) hat sich im Zuge einer alle Schranken einreißenden und nivellierenden Lebensform angeglichen und darüber hinaus verflacht“ (Norbert Borrmann, „Die große Gleichschaltung. Vom Verschwinden der Vielfalt“, Schnellroda, Antaios, 2013, S. 66 f.). Borrmann verweist diesbezüglich auf ältere Bildbände mit Porträtfotografien aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, in denen sich eine Vielfalt von Typen und Charakterköpfen zeigt, die heute in dieser Ausprägung nicht mehr vorhanden ist.

Der Verlust des Menschlichen und der Persönlichkeit hat sich freilich durch den dramatischen Rückgang an Herzensbildung bei den seit ihrer Kindheit mit „Smartphonitis“ infizierten „Digital-Generationen“ noch ganz erheblich verschärft. Ja, in der Tat, unsere Gesellschaft, jedenfalls die breite Masse, ist offenkundig – horribile dictu – bereit für den nächsten Totalitarismus. „Eine große Mehrheit von 63 Prozent der Bundesbürger hält die gestern beschlossenen Maßnahmen zur Verringerung der Infektionszahlen für angemessen (32 Prozent) oder sogar für noch nicht weitreichend genug (31 Prozent). Dass die aktuell beschlossenen Maßnahmen zu weit gingen, findet nur eine Minderheit (32 Prozent) der Bundesbürger“ (https://journalistenwatch.com/2021/03/24/klappt-schnuerchen-prozent/).

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